Rammstein im Unterricht
Meine Schule, das "Colegiul Naţional Alexandru Papiu Ilarian", befindet sich in einem unglaublich schönen, alten Gebäude, das wohl früher ein Krankenhaus war, mich aber immer eher an Hogwarts erinnerte. Vergleichbar mit einem deutschen Gymnasium werden hier 5. bis 12. Klässler bis zum Schulabschluss unterrichtet, sodass sie danach an einer Universität studieren können. Neben Englisch und Französisch wird auch Deutsch unterrichtet, was mit der ehemals recht großen, heute nur noch überschaubaren deutschen Minderheit in Rumänien zusammenhängt. Es gibt Klassen, die Deutsch als Fremdsprache lernen und somit zwei- bis dreimal die Woche in den Genuss der deutschen Grammatik mit all ihren Ausnahmeregeln kommen. Außerdem gibt es, und das hat mich zunächst sehr überrascht, eine sogenannte Muttersprachler-Klasse. Hier werden Goethe und Schiller gepaukt, Aussprache und Intonation geübt und Gedichte verfasst. Die deutsche Sprache kann also doch populär sein!
Vor allem im Deutschunterricht konnte ich helfen und unterstützen, dabei hauptsächlich bei der Vorbereitung auf das deutsche Sprachdiplom – ein Zeugnis, mit dem man später in Deutschland studieren kann. Aber auch Vertretungsunterricht, kleine Projekte oder Kommunikationsstunden, in denen deutsche Musik und Filme angeschaut und besprochen wurden, konnte ich vorbereiten und anbieten. Das führte hin und wieder bei Lernenden und Lehrenden zu Verwirrung und Irritation, wenn ein 19-jähriger vor der Klasse stand und Rammstein abspielte, während die gegenübersitzenden Jugendlichen zum Teil sogar älter waren. Wie mache ich dem/der Lehrer/in mit Händen und Füßen klar, dass ich ein Freiwilliger aus Deutschland bin? Und was mache ich, wenn die Schüler/innen keine Lust auf gar nichts haben? Letztes Jahr saß ich doch an genau dem gleichen Platz, bloß ein paar Kilometer weiter westlich, und hatte auch nicht immer große Lust auf Unterricht.
"Es wird schon"
Die Schule endete oft früh, sodass ich nachmittags anderen Freiwilligen, die in derselben Stadt lebten, bei ihren sozialen Projekten helfen konnte. Das ging vom Deutschkurs in einem Jugendzentrum bis zum Nachmittagsprogramm in einem Kinderheim für Roma-Kinder, die aus schwierigeren Familiensituationen kamen. Lebensrealitäten, die mit denen der Schülerinnen und Schüler an meiner Einsatzstelle oft wenig gemein hatten – was mein Freiwilligenjahr nochmal um weitere wichtige Erlebnisse bereicherte.
Rumänien und seine Nachbarländer per Anhalter bereist, viele unterschiedliche Kulturen näher kennengelernt, eine Sprache versucht zu lernen, eine eigene Wohnung gesucht und gefunden, auf einmal Lehrer gewesen – all das und noch viel mehr in nur einem Jahr. Am allermeisten aber habe ich mich selbst kennengelernt, habe mich versucht, bin gescheitert, hatte Erfolg. Ich habe ein spannendes und wunderschönes Land für mich entdeckt und habe gelernt, dass man mit etwas Gelassenheit oft viel weiter kommt, als das ich es aus meiner Heimat gewöhnt war: "Nema problema, es wird schon".